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U-Verlagerung Bernstein


Eines vorweg – Die U-Verlagerung mit dem Decknamen Bernstein ist uns schon seit fast 15 oder 16 Jahren bekannt. Nur sah ich bis jetzt keine Veranlassung einen Bericht darüber zu veröffentlichen. Der Stollenneubau ist zum großen Teil dem Tagebaubetreib der westfälischen Kalkwerke zum Opfer gefallen und der Rest der U-Verlagerung Bernstein war lange Zeit nur durch einen unscheinbaren Verbruch im Steinbruch zu erreichen. Doch in letzter Zeit tauchten plötzlich Fotos aus den Stollen im Internet auf. Irgendwelche Urbexer, welche scheinbar mittlerweile überall unterwegs sind, posteten Bilder aus der ehemaligen Untertage-Verlagerung in Wuppertal. Ich frage mich auch, wie sie den Schluf überhaupt finden konnten. Natürlich hatten die Kollegen keine Ahnung davon, was für einen Stollen sie befahren hatten. Und genau das ärgert mich, so dass ich hier an dieser Stelle nun doch einen kleinen  Bericht über die U-Verlagerung Bernstein veröffentliche.


Der Ehemalige Bahnhof Varresbeck - Vor hier aus wurden die Nadel, - und  Kugellager verschickt.


Die Wuppertaler Firma Jäger gehörte der FAG (Fischer AG) an und war ein Zweigwerk der Kugellagerindustrie in Schweinfurt. Die Firma FAG  (Fischers Automatische Gussstahlkugelfabrik)  oder (Fischers Aktien Gesellschaft) war der viertgrößte Wälzlagerhersteller der Welt. Sie wurde 1897 gegründet und galt als erste automatische Gußstahlkugelfabrik. Ab 1941 benannte sie sich in Kugelfischer Georg Schäfer und Co. um.  Ab Anfang 1944 wurde die Firma FAG zum kriegswichtigen Rüstungsbetrieb deklariert und in das sogenannte Kessler-Programm aufgenommen. Das Kessler-Programm, benannt nach Philipp Kessler, war das Sicherungsprogramm für Wälz-, und Kugellager im dritten Reich. Unter der Baunummer 5068 wurde der Stollenneubau, also das zukünftige dezentrale Ausweichwerk, in den Steilhängen der Kalkwerke Dornap im Wuppertaler Nordwesten errichtet, zumindest begonnen. Doch zunächst zurück zum Werk. Die Fischer AG in Wuppertal-Varresbeck, einem Stadtteil von Elberfeld, war einer der größten kriegswichtigen Rüstungsbetrieben überhaupt.



Das ehemalige Werksgelände der Wuppertaler Zweigstelle von Kugelfischer.


Das Fabrikgelände hatte eine Größe von 15 Hektar und befand sich an der Mettmanner Straße, nahe der Düsseldorfer Straße in Wuppertal Elberfeld. Die teilweise denkmalgeschützten Gebäude sind zum größten Teil noch vorhanden. Das Firmengelände der ehemaligen Firma G. und J. Jäger gehörte ab 1933 zu Kugelfischer in Schweinfurt. Die Firma existierte bis 2022. Danach wurde teilweise Rückbau betrieben, aber die meisten Gebäude sind noch vorhanden und warten auf einen neuen Besitzer. Achtung – Das Gelände wird mit Kameras überwacht und die Security braucht keine fünf Minuten um vor Ort zu sein. (Ich habe es vor ein paar Tagen selber beobachten können, hehe.) Doch weiter im Text. Auf dem ehemaligen Werksgelände befinden sich einige Bunker und Luftschutzstollen, welche ich damals noch zu Betriebszeiten erkunden durfte. Doch der Luftschutzbereich war bei Weitem nicht ausreichend für alle Werksangehörigen.


Erhalten gebliebene Original-Baracke aus dem Arbeitslager Java.


Nach dem ersten Luftangriff auf die Schweinfurter Großindustrie im Oktober 1943 erfolgte der Dezentralisierungsbefehl mit Werksverlagerung von Betriebsstellen in über 20 Orten, davon auch ungefähr die Hälfte nach unter Tage. In den alliierten Planungen zur Bombardierung des deutschen Reiches spielten die Schlüsselindustrien eine große Rolle. So blieb es nicht aus, dass auch die Firma Jäger (Zweigwerk der FAG) in den britischen Listen zu finden war. Neben den Kriegswichtigen Firmen in Wuppertal wie Espenlaub, Homann, Metzenhauer, Vorwerk und Bemberg, war auch die Kugellagerindustrie ein wichtiger Rüstungsbetrieb, welcher auf jeden Fall bombardiert werden musste. Aber zum Glück gab es keinen gezielten Angriff auf das Jägerwerk in Varresbeck, so wie zum Beispiel auf die Flugzeugfabrik Espenlaub in Wuppertal-Langerfeld. Im Jahre 1943 stellte die Firma Jäger in Wuppertal 1.780.511 Kugellager her. Das war ungefähr 5 % der Reichsproduktion. Ein Jahr später wurde die Fabrik in das Kessler-Programm integriert. Der sogenannte Kessler Stab, benannt nach Philipp Kessler, Mitglied im Rüstungsrat im Ministerium Speer und Direktor der Bergmann Elektrizitätswerke, wurde im März 1944 ins Leben gerufen. Kessler selbst wurde zum Generalkommissar für die Kugellagerindustrie ernannt. Kugellager wurden dringend für die Kriegsmaschinerie gebraucht. Für Panzer, Flugzeuge, Schiffe und Geschütze. Kesslers Aufgabe war es, die Kugellagerproduktion im Deutschen Reich mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten. Auch bombensicher unter Tage.


Produktionssteigerung von Kugellagern, Ende Kriegsjahr 1944


Die Wuppertaler Firma G. und J. Jäger war von enormer Bedeutung für die Panzerherstellung, denn ohne Kugellager konnte sich auch der beste Panzer keinen Millimeter bewegen. Wie oben schon beschrieben gehörte die Firma Jäger der FAG mit Sitz in Schweinfurt an. Das Wuppertaler Werk wurde im Jahre 1940 im Rahmen der Kriegsproduktion erheblich erweitert, bis es eine Größe von 47.000 qm hatte. Daneben gab es auf dem Firmengelände ein separates Baubüro der Firma Dyckerhoff und Widman KG. Das sogenannte Baubüro Jägerwerke. Wir kennen die Firma Dywidag schon recht gut, tritt die Beton,- und Baufirma doch öfter mal in Erscheinung, wenn es um Splitterschutzzellen oder Einbauten in Untertage-Verlagerungen ging. In der Wuppertaler Firmenleitung saßen Direktor Erich Jost, welcher im November 1940 zum Wehrwirtschaftsführer ernannt wurde und der zweite Direktor Ernst Springorum, welcher gleichzeitig Wuppertaler Vertrauensmann der Kriegsrüstung im Wehrkreis VI b war. Ab dem Jahre 1942 waren auch Zwangsarbeiter und zivile ausländische Arbeiter in ständig steigender Anzahl in dem Wuppertaler Werk beschäftigt. Sie lebten in dem Werkseigenen Lager, welches den Decknamen Java hatte. Waren es im Jahre 1942 noch 650 Fremdarbeiter, so stieg die Zahl im Jahre 1944 auf über 1.200 an. Im Juni 1944 arbeiteten bei Jäger 881 Deutsche, 361 Westarbeiter, 390 Ostarbeiter und 450 andere Kriegsgefangene. Die Produktpalette der Kugellagerfabrik bestand aus 50 Prozent Hochgenauigkeitslager und weiteren 50 Prozent verschiedenste Klein- und Mittellager. Besonderer Bedeutung waren davon die Produktion von (7 Prozent der Gesamtproduktion) Gleiskettennagellager für den Einsatz in Panzern. Und genau diese Produktion von Nagellager sollte möglichst nach unter Tage verbracht werden. Die Panzerproduktion würde schwer geschädigt, wenn das Wuppertaler Kugellagerwerk von Alliierten Ausgebombt wird. Zunächst dachte man an eine Produktion in Oberschlesien oder Lothringen nach, doch dort war die Front schon recht nahe und man endschied sich um in der Nähe zu bleiben, zumal der Umzug doch recht aufwändig werden würde. Das Ministerium Speer wurde benachrichtigt und laut einem Zeitzeugen, dauerten die Verhandlungen mit dem Steinbruchbesitzer in der Nähe des Werkes keinen ganzen Tag, ehe er zustimmte, seinen Kalkbruch für eine Untertage-Verlagerung zur Verfügung zu stellen. Es muss wohl viel Geld geflossen sein, munkelt man. Mit dem Vortrieb des Stollenneubaus wurde schon knapp drei Monate nach den Verhandlungen, Anfang September 1944, begonnen. Bauherr war, wie eigentlich immer, die Organisation Todt, Ortsgruppe Hansa aus Essen. Die Stollen im Kalkstein sollten bei Fertigstellung eine Produktionsfläche von 11.200 qm haben.

In Einbeziehung eines alten Stollens, welcher zur Verbindung zwischen zwei Tagebauen bereits existierte, wurde der Stollenneubau unter Tage ausgesprengt. Bei Fertigstellung sollte die U-Verlagerung mit dem Decknamen Bernstein aus vier parallelen Stollen von 300 Metern Länge und zwei Fahrstollen bestehen. Ende November 1944 zog die Firma Jäger, bzw. Kugelfischer in einen fertigen Teilbereich der Stollen ein und produzierte unter Tage auf einer Fläche von knapp 4.000 qm ihre Gleiskettennagellager. Eine kleine Anekdote dazu habe ich noch rausrecherchieren können. Da im November 1944 fast alle LKWs der Firma Jäger entweder irgendwo anders unterwegs, oder nicht einsatzfähig waren, musste der Umzug über die Düsseldorfer Straße zum neuen Ausweichwerk zum Teil mit der Straßenbahnlinie 21 (Elberfeld – Düsseldorf) durchgeführt werden. Wie genau Dieses von statten ging, konnte ich leider nicht ermitteln.




Die drei Fotos oben: Reststollen der Untertage-Verlagerung Bernstein.


Zum Abschluss:

Da ich einen der Steinbruchbesitzer sehr gut kenne, und er mich auf seinem Grundstück gewähren lässt, war ich so frei und habe auf den Schuf ein wunderschönes Gesteinspaket gepackt, damit auch das Rest-Mundloch nicht mehr zu erkennen ist. Und das bei 32 Grad im Schatten, den es dort nicht gab. Wer etwas zum Thema U-Verlagerung Bernstein in Wuppertal wissen möchte, kann sich gerne per E-Mail bei mir melden. Und eine weitere Neuheit gibt es noch zu verkünden:

Zum ersten Mal wurden sämtliche Fotos in einem Bericht auf dieser Seite mit dem Handy gemacht. Das hat sich irgendwie so spontan ergeben, zumal ich auch immer seltener meine Sony mit dabei habe wenn ich unterwegs bin. Entstanden ist dieser Bericht im Juli 2025. Danke an Dany, Malte und Karl. (Lichtsklaven und so weiter...) Glück Auf!

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