u-verlagerungen.de
unterirdische rüstungsproduktion in wort und bild

U-Verlagerung Eisvogel


Geplante unterirdische Industrieverlagerung in den Hartenrod-Tunnel

Auch im Lahn-Dill-Kreis sollten mehrere Reichsbahntunnel zur Untertage-Verlagerung umgebaut und genutzt werden. Insgesamt wurden Anfang 1944 fünf verschiedene Tunnel vom Reichsministerium für Rüstung und Kriegswirtschaft erkundet und für den Bahnverkehr gesperrt. Zwei der Tunnel fielen nach eingehender Prüfung wieder aus. Einer der beiden Tunnel, der Tunnel bei Dillbrecht, war auf einer Hauptstecke der Reichsbahn und konnte somit nicht entbehrt werden, so dass die Sperrung wieder aufgehoben wurde. Ein weiterer Tunnel, der Tunnel bei Burgsolms, lag zwar auf einer Nebenstrecke, war allerdings viel zu kurz, und somit zu klein für eine unterirdische Fabrik. Auch er wurde wieder für den Bahnverkehr freigegeben. Die verbliebenden drei Tunnel wurden am 06.06.1944 in das Verzeichnis über die unterirdischen Räume für die Rüstungsindustrie des Deutschen Reiches aufgenommen und erhielten zu diesem Zwecke auch die obligatorischen Decknamen aus der Vogelkunde. Dieses waren die der Tunnel Hasselborn (Deckname Taunus), der Rabenscheider Tunnel bei Langenaubach (Deckname Uhu - Link) und der hier vorgestellte Tunnel Hartenrod mit dem Decknamen Eisvogel.

Der 700 Meter lange Tunnel Hartenrod wurde im Jahre 1902 fertiggestellt. Bei dem Bau des Tunnels waren rund 1.000 Arbeiter beschäftigt. Gut 42 Jahre später wurde der Tunnel zunächst für das Jäger-Programm gesperrt und war für die untertägige Propellerfertigung der Firma VDM Luftfahrtwerke, mit Sitz in Frankfurt am Main, vorgesehen. Die unterirdische Fabrik für Flugzeugteile erhielt die Baunummer 245 vom RMfRuK. Doch das Vorhaben wurde kurzfristig wieder eingestellt und es fanden keinerlei Umbaumaßnahmen zur U-Verlagerung in dem Reichsbahntunnel mehr statt. Lediglich der Deckname "Eisvogel" blieb bestehen. Denn mit dem geplanten Einsatz von Vergeltungswaffen im Westerwald und Umgebung bekam der Tunnel Hartenrod im Herbst 1944 eine besondere Bedeutung als Nachschubweg der V-Waffen Verbände. Der Reichsbahntunnel wurde ab dem 04.09. 1944 aus militärischen Gründen als bombensicherer Unterstand für Sonderzüge freigehalten. Dazu hier ein kleiner Bericht von dem Heimatverein:

Am frühen Morgen des 22. März 1945 bog von Driedorf im Westerwald kommend ein überlanger V2-Eisenbahnbatteriezug einer deutschen Spezialeinheit über Herborn in die Aar-Salzböde-Bahn ein. Er war über einen Kilometer lang und wurde von zwei schweren Lokomotiven vom Typ "Preußische G 8" gezogen, eine weitere Lok befand sich in der Mitte des Zuge und eine vierte Lokomotive schob von hinten. Bei Bicken wurde er gegen 08.00 Uhr und später bei Bischoffen von amerikanischen Jagdbombern angegriffen und eine Lok beschädigt Sie erlitt totz heftiger Gegenwehr durch die mitgeführten Vierlingsflaks einen Kesseldurchschuss und wurde somit unbrauchbar. Bei dem Angriff kam auch der Dorfgendarm ums Leben. Der Zug wurde danach in Bischoffen in zwei Teile geteilt und erreichte spät am Abend den 700 Meter langen und bombensicheren Tunnel bei Hartenrod, wo er jedoch hinten und vorne herausragte. Die Bevölkerung musste auf dem Anstieg zum Tunnel, um ein Durchdrehen der Antriebsräder der Loks zu verhindern, Sand auf die Schienen streuen und Buchenscheite für die Feuerung der Loks herbeischaffen; Kohle gab es nicht mehr.

Zwei Tage später war der Zug in Richtung Marburg abgefahren. Nach einer lagen Irrfahrt über Marburg, Wetter, Frankenberg und Allendorf erreichte der militärische Raketenzug auf dem Weg nach Winterberg am 29. März den Bahnhof Bromskirchen. Dort stoppten ihn gegen neun Uhr amerikanische Panzer, als die Loks im Bahnhof Bromskirchen Wasser tanken wollten. Den Amerikanern fielen mit diesem V2-Eisenbahnbatteriezug der Gruppe Süd-Art.Rgt.(mot.)z.V.901, Abt.Ia unter Planen getarnt, zehn komplette V2-Raketen einschließlich Treibstoff, Eisenbahnabschussrampen, gepanzerten Mannschafts- und Flakwaggons sowie die Bedienungsanleitungen in die Hände. Drei Tage später ließen die Amerikaner den Beutezug nach Antwerpen bringen. Von dort wurde die Ladung nach Amerika verschifft und trug damit ganz wesentlich dazu bei, die amerikanische Raketentechnik aufzubauen. Bis dahin war den Amerikanern die V2 nur aus ihren Bruchstücken nach dem Einschlag bekannt. Die Erbeutung dieses Zuges wurde auch ausführlich in alliierten Wochenschauen thematisiert...










Dieses alte Foto zeigt den Tunnel Hartenrod mit einem Soldaten davor.


© u-verlagerungen.de
Text von Eismann, Sommer 2023
Danke an Karsten P. & Walter G.
Fotos von Eismann und Svenska